Türkis-Grünes Programm

Heute tritt die die türkis-grüne Bundesregierung erstmals vor den Nationalrat vor. Seit der Veröffentlichung des neuen Regierungsprogramm hagelt es Kritik aus der queeren Community. Hier unsere heutige Presseaussendung und Stellungnahme dazu.

Bild: DerStandard.at 

HOSI Salzburg: Türkis-Grün lässt Queer Refugees im Stich

Abschaffung der unabhängigen Rechtsberatung wird Queer Refugees besonders hart treffen. LGBTI-Organisationen üben heftige Kritik an neuer Regierung.

Salzburg (OTS) – „Die im Regierungsprogramm festgeschriebene Abschaffung der unabhängigen Rechtsberatung für Geflüchtete ist ein massiver Rückschritt. Gerade für homosexuelle oder transidente Geflüchtete ist die Rechtsberatung durch qualifizierte und unabhängige NGOs oft die einzige Chance auf ein faires Asylverfahren. Die drohende Abschaffung kann deshalb als größter Rückschritt in der LGBTI-Politik Österreichs der letzten Jahrzehnte gesehen werden“, so HOSI-Salzburg-Obmann Josef Lindner in einer Stellungnahme.

„Auch sonst enttäuscht das türkis-grüne Regierungsprogramm“, so HOSI-Salzburg-Obfrau Gabriele Rothuber. „Es wäre ein Leichtes gewesen, den Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung auf die Privatwirtschaft auszuweiten oder intergeschlechtliche Kinder vor nicht notwendigen medizinischen Eingriffen zu schützen. Davon findet sich leider nichts im aktuellen Regierungsprogramm. Es ist begrüßenswert, dass Inklusion an 30 Punkten aufgegriffen wurde – LGBTI muss in Zukunft ebenso mitbedacht werden! Österreich muss mutiger werden beim Schutz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten.“

Regierungsprogramm: Abschaffung der unabhängigen Rechtsberatung

Im 328-Seiten starken türkis-grünen Regierungsprogramm kommt „LGBTI“ genau einmal vor. In der Außenpolitik will türkis-grün den „Kampf gegen die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität“ aufnehmen und sich für die Umsetzung der LGBTI-Guidelines für die EU-Außenpolitik einsetzen. Keine revolutionären Forderungen, sondern ein Festschreiben des Status Quo. Gleichzeitig soll die unabhängige Rechtsberatung für Geflüchtete durch eine staatliche Bundesagentur ersetzt werden. Die HOSI Salzburg appelliert an türkis-grün zu einer menschenrechtsbasierten Politik zurückzufinden. „Die Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention, die in Österreich Verfassungsrang hat, müssen wieder zum Kompass für die Politik werden. Die türkis-grüne Bundesregierung muss den Pfad, den türkis-blau in der Asylpolitik eingeschlagen hat, wieder verlassen“, fordern die HOSI-Salzburg-Obleute unisono.

Kritik an der ÖVP

„Seit über drei Jahrzehnten sitzt die ÖVP in der Bundesregierung und versucht rechtliche Verbesserungen für LGBTIQ-Personen zu verhindern. Auch im türkis-grünen Regierungsprogramm hat sie sich durchgesetzt. Aus Menschenrechtsperspektive ist das Programm eine Enttäuschung. So ist beispielsweise die Abschaffung der unabhängigen Rechtsberatung für geflüchtete Menschen eine menschenrechtliche Bankrotterklärung für eine Partei, die sich mancherorts noch christlich-sozial nennt“, so HOSI-Salzburg-Obmann Josef Lindner.

Ernüchterung nach Grünem Zielgruppenwahlkampf

„Wir sind aber auch enttäuscht über die Grünen, die nach einem jahre- bis jahrzehntelangen Zielgruppen-Wahlkampf in der queeren Community bei LGBTIQ-Themen derzeit auslassen“, so Gabriele Rothuber, Obfrau der HOSI Salzburg.

In sozialen Medien feierten die Grünen ihre Leuchttürme aus dem Regierungsprogramm. Dabei werden Schlagwörter als Erfolge gefeiert, die keine sind. Wir möchten zu einzelnen Punkten, die als Fortschritte verkauft werden, hiermit Stellung nehmen:

Bild: Die Grünen. Die Neo-Regierungspartei versucht die queere Community mit angeblichen Erfolgen im Regierungsprogramm zu beruhigen.

„Intergeschlechtliche Menschen: Personenstandsfreiheit“
Es gibt eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshof (2018) zum dritten Personenstand neben „männlich“ und „weiblich“. Die Umsetzung durch das Innenministerium haben wir mehrfach stark kritisiert. Wir hoffen, dass unter türkis-grün eine Verbesserung gelingt, auch wenn wir im Regierungsprogramm dafür noch keine Belege gefunden haben. (Fragen & Antworten zur dritten Option)

Die erste und wichtigste Forderung von inter* Organisationen, wie dem Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ), wird leider nicht einmal erwähnt: Es braucht ein Verbot und einen sofortigen Stopp von nicht-notwendigen medizinischen Eingriffen – ohne vorherige persönliche, informierte und freiwillige Zustimmung – an intergeschlechtlichen Menschen.

„Sexualpädagogik: Vereine wieder an Schulen“
Sexualpädagogik-Vereine waren nie aus Schulen verbannt. Es gab lediglich einen Entschließungsantrag vor dem Sommer 2019 von ÖVP und FPÖ, der mit der Angelobung des neuen Nationalrats verfallen ist. Insofern können wir hier noch keinen Erfolg aus LGBTIQ-Perspektive sehen. Was haben türkis-grün vor, um sexuelle und geschlechtliche Vielfalt flächendecken in der sexuellen Bildung und an Schulen zu verankern und um sicherzustellen, dass Lehrkräfte ausreichend sensibilisiert und qualifiziert werden?

„Gleichbehandlungsanwaltschaft stärken“
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine wichtige Institution in Österreich. Wir freuen uns über jegliche Stärkung der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Wie wir aus der Zusammenarbeit wissen, wenden sich Lesben, Schwule und Bisexuelle allerdings besonders selten an die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Daher braucht es neben einer Stärkung der Gleichbehandlungsanwaltschaft auch eine gezielte Unterstützung von Menschen, die aufgrund der sexuellen Orientierung Diskriminierung erfahren sowie die längst notwendige Ausweitung des Diskriminierungsschutzes (Stichwort: Levelling-Up).

„Stärkung der Schutzmöglichkeiten, Ausweitung der Antidiskriminierung“
Davon findet sich leider nichts im türkis-grünen Regierungsprogramm. In Österreich dürfen immer noch Lesben, Schwule und Bisexuelle aufgrund der sexuellen Orientierung diskriminiert werden, wenn sie zum Beispiel eine Wohnung mieten wollen, in einen Klub gehen oder einen Kaffee bestellen. Die HOSI Salzburg fordert – ebenso wie zahlreiche andere LGBTIQ-Organisationen – seit Jahren das so genannte „Levelling-Up“, also, eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes. Derzeit besteht zwar ein Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt, nicht aber beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.

Rückfragehinweis:

HOSI Salzburg, paul.haller@hosi.or.at, +4369910785723

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