Grundsatzerlass Gleichstellung

Offener Brief von Ausgesprochen LGBTIQ* Lehrer*innen, Verein Selbstbewusst, HOSI Salzburg, Werbewatchgroup gegen sexistische Werbung Salzburg und Schule der Vielfalt anlässlich der Streichung des Erlass zum Unterrichtsprinzips „Gleichstellung von Männern und Frauen“.

Grundsatzerlass Gleichstellung: Überarbeitung erfolgt bereits im Juli

Für Empörung sorgte die Streichung des Unterrichtsprinzips „Gleichstellung von Männern und Frauen“. Was als administrative Entlastung verkauft wurde, ist tatsächlich ein massiver frauenpolitischer Rückschritt auf Kosten von Kindern und Jugendlichen. Nach massivem Gegenwind gegen die Streichung des Unterrichtsprinzips soll zu Beginn des neuen Schuljahrs 2018/19 eine Neuverlautbarung erfolgen. Laut Insiderinnen wird bereits im Juli der überarbeitete Text ministeriumsintern finalisiert. Eine eigens installierte Expert*innengruppe im Unterrichtsministerium ist mit der Überarbeitung beauftragt. Die Diskussionen und Entwürfe aus dem Gremium sollen die Grundlage für den neuen Erlass bilden.

Proteste gegen Streichung

Immer mehr Initiativen melden sich gegen die Streichung des Erlasses zur Gleichstellung als Unterrichtsprinzip zu Wort. „Die Streichung des Unterrichtsprinzips ist nicht nur ein unglaublicher Eingriff in die Schulbildung, sondern vielmehr ein dreister Versuch, unsere Gesellschaft um hart erkämpfte Errungenschaften zu bringen und eine patriarchale Dominanz zu sichern. Wer glaubt, dass so ein Versuch im Jahre 2018 von Erfolg gekrönt sein wird, lebt gedanklich tatsächlich in längst vergangenen Zeiten“, so Kathleen Schröder, Projektleitung der Schule der Vielfalt und von Vielfalt im Beruf.

„Mädchen müssen nun nicht mehr in der Sprache vorkommen“ so Viktoria Veronese, Obfrau des Vereins Ausgesprochen. “Mädchen müssen nicht mehr alles dürfen, was Buben dürfen. Brav und artig gegen laut und lebhaft, rosa gegen blau, technisches gegen textiles Werken, das ist die Welt, die in vielen Schulen vermittelt wird und nun auch wieder eine Berechtigung finden darf. Offensichtlich werden Mädchen wieder nur Frisörinnen, Verkäuferinnen und Krankenschwestern während Buben Polizisten, Ärzte oder Automechaniker sein dürfen.“

Warum braucht es das Unterrichtsprinzip?

Der 1995 von ÖVP-Ministerin Gehrer eingeführte Erlass verfolgte das Ziel, die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in den alltäglichen Unterricht zu bringen. Er sollte Bewusstsein schaffen für geschlechtsspezifische Sozialisation und Arbeitsteilung sowie für deren Ursachen und Formen. Dies würde zum Abbau von Rollenklischees beitragen, die Kinder in ihrer Entwicklung und ihren gesellschaftlichen Chancen behindern. Der Grundsatzerlass ist notwendig, um ein Bewusstsein für alltägliche Formen von Gewalt und Sexismus zu schaffen. Eine Aufhebung des Unterrichtsprinzips fördert das Gegenteil.

„Es braucht viele Maßnahmen, um gesellschaftliche Gleichstellung zu erreichen“, erklärt Barbara Sieberth von der Werbewatchgroup Salzburg. „Bildungseinrichtungen tragen hier eine besondere Verantwortung, weil sie sehr früh Kinder und Jugendliche prägen. Es war eine Errungenschaft, Gleichstellung als Unterrichtsprinzip zu etablieren. Dieses Prinzip zu streichen, bedeutet, der Gleichstellung keine Wichtigkeit mehr zu geben. Das ist für uns äußerst ärgerlich, denn wir kennen die Realität, und die heißt ‚25% weniger Einkommen für Frauen‘, die heißt, ‚Frauen als Chefinnen in Politik und Wirtschaft drastisch unterrepräsentiert‘. Wir brauchen Verbündete in der Arbeit für Gleichstellung, keinen Gegenwind!“

 

Rückschritt für Prävention von Sexismus und Gewalt

„Mit der Streichung des Grundsatzerlasses wurde auch die Prävention von Sexismus in Schulen und an Arbeitsplätzen sowie in Medien von der Prioritätenliste der Bildung gestrichen“, so Robert Steiner, Geschäftsführer des Vereins Selbstbewusst. „Gerade in einer Zeit, in der die Pornografisierung bis in die Volksschulen reicht und Diskussionen über Machtmissbrauch im Gange sind, benötigen Heranwachsende ein klares Signal in Richtung Gleichstellung seitens der Politik. Die Streichung des Grundsatzerlasses ist unserer Meinung nach ein Fehler.“

Die aktuellen Ereignisse verdeutlichen, dass hart erkämpfte frauenpolitische Errungenschaften unter der aktuellen Bundesregierung nicht als selbstverständlich erachtet werden dürfen. Auch die Sichtbarkeit von vielfältigen Lebensweisen ist in Gefahr, wie Selbstvertretungsorganisationen kritisieren. „Offensichtlich sind Frauenrechte sowie die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Personen in unsere Gesellschaft noch nicht so fest verwurzelt, wie wir es uns wünschen würden“, so Viktoria Veronese von Ausgesprochen. „Unser Kampf für gleiche Rechte und gleiche Chancen für alle Menschen unabhängig ihres Geschlechts, ihrer Geschlechtsidentiät oder ihrer sexuellen Orientierung geht also weiter. Die Bundesregierung darf sich auf Widerstand gefasst machen.“

Aktuell vernetzen sich in Salzburg und österreichweit Initiativen, um gemeinsam gegen die Streichung des Erlass aufzutreten. Der Erlass ist derzeit in vielen Lehrplänen verankert und gilt weiterhin für das laufende Schuljahr.

Fotos: Viktoria Veronese, Verein Ausgesprochen

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