Männerwelten: Arnold Stadler, Ces Nooteboom, Martin Mosebach Heinrich Detering, Josef Bierbichler, Franz Schuh: Thema mit Variationen: Der Mann und seine Welt(en).
Bewegung kam Donnerstag in die Sache, als Martin Mosebach, Cees Nooteboom, Arnold Stadler über Männerwelten lesen und sprechen. Stadler schreibt als Autor radikal gegen den aktuellen literarischen Zeitgeist an. Seine Männerwelten sind zwischen Meßkirch (Geburtsort), Freiburg, USA, Rom, Feuerland verstreut: Kein Ort und nirgends. Gottesdienste, Swingerclubs, Bäder mit Umkleidekabine, Kinos, Hotels: Dort wird gewichst, kopuliert, mit unterschiedlicher Befriedigung: Filme werden gesehen, Texte übersetzt, Schlager gehört und zitiert. Der Autor agiert als Grabredner, Theologe, Autor eine kohärenten wie ambivalent disparaten Werks über ein Thema mit vielen Variationen: Sein Leben, so die überarbeitete Autobiografie Einmal auf der Welt. Und dann so
Riskante, furiose, virtuose Texte über Unausgesprochenes in Männerwelten, hinge- und verzauberte Poesie + Hermeneutik mit typisch lakonisch-komischem Stadler-Sound, ohne Tabus und Berührungsängste vor Pathos. In Salvatore besucht ein Mann, der durch einen Konkurs am Randes Abgrunds steht, angewidert von Männerwelten (Vatertag, Bierkästen) einen Gottesdienst und landet, zufällig im Pasolinis Jesus-Film Il Vangelo secondo Matteo:
Verändert, beseelt, erleuchtet, erschlagen, ergriffen verlässt er den Saal, es folgt ein Essay über Pasolinis Film, Leben, Sterben, Liebe(n) und Caravaggios Zöllner-Bild: Im Gegensatz zu Kunst-Experten ist Matthäus der schöne Jüngling am Ende des Tisches. Eigentlich Pflichtlektüre für jeden Theologen.
Lesen wird Arnold Stadler aus seinem Band”New York machen wir das nächste Mal“, in dem er Fragmente, Figuren aus früheren Werken aufgreift. Die Rückkehr in Heimat und Kindheit mündet in einem Strom von Bildern, Erinnerungen, Kommentaren, Sequenzen. Stadler schreibt als Meister des kontrolliert kalkulierten Tabu-Bruchs ohne Selbst-Schutz: Damit stellt er sich, schutzlos, öffentlicher Kritik.
Homosexualität, allgegenwärtig wenn auch oft latent in seinem Werk, vermeidet er verbal zu benennen: Feigheit oder ein Versuch, dem allgegenwärtigen heutigen Bekenntnis-Zwang zu entgehen. Wendepunkt ist Salvatore: Spätes Coming-Out? Sein konsequentes wie radikales Schreiben und Reden gegen den Zeitgeist hebt ihn von Zeitgenossen ab. Komm, gehen wir, ein Aufruf, den 2 Männer und eine Frau ähnlich den Jüngern von Jesus folgen. Vielleicht erreicht dieser Ruf auch manchen Leser.