Gastkommentar: Theologe und Bestseller-Autor David Berger über die homophoben Papst-Aussagen in seiner Neujahrsrede am vergangenen Montag.
Die barbarischen Katholiban und die Frage der Homosexualität
In Elis und in Boiotien nämlich hat man eindeutig als Brauch eingeführt, dass es schön sei, sich den Liebhabern hinzugeben. In Ionien dagegen und an vielen anderen Orten, so weit man unter BARBARENHERRSCHAFT wohnt, gilt es als hässlich. Die Barbaren halten dies nämlich mit Rücksicht auf die tyrannische Staatsordnung für schädlich (Platon, Symposion 128b).
Vor knapp 180 diplomatischen Vertretern aus aller Welt hat der Papst, der sich selbst gerne als das „moralische Gewissen der Menschheit“ versteht, bei seiner diesjährigen Neujahrsansprache erneut eines seiner Lieblingsthemen aufgegriffen. Die Bedrohung der Gesellschaft durch alle in der kirchlichen Doktrin nicht vorgesehenen Formen menschlichen Zusammenlebens. Ausdrücklich verurteilte er die Politik von Ländern, die neben der traditionellen Verbindung von Mann und Frau in der Ehe weiter Alternativen zulässt und so eine „Bedrohung für die menschliche Würde und sogar für die Zukunft der Menschheit“ sei. Ohne dass das Wort „Homosexualität“ fiel, war natürlich jedem sofort klar, dass der Papst sich wieder einmal zu seinem Lieblingsthema geäußert hat: der Vernichtung aller Werte, ja dem Untergang der Zivilisation durch die Legalisierung homosexueller Handlungen und Lebensformen, besonders der Ehe gleichgeschlechtlicher Partner.
An dieser Rede zeigt sich erneut: Mit geradezu psychotischer Energie gibt sich der Papst dem Thema Homosexualität hin. Einem Thema, das den, den er auf Erden stellvertreten will, niemals beschäftigt hat, wird zunehmend zu dem Schlüsselthema dieses Pontifikates: oft direkt angesprochen, noch öfter indirekt. Die indirekte Ansprache wird – diplomatisch schlau – zumeist dann gewählt, wenn man seine zumeist ahnungslosen und philosophisch-theologisch völlig ahnungslosen Zuhörer zum Applaus für seine homophobe Grundeinstellung vor aller Welt bewegen will – wie eben jetzt in der Neujahrsrede oder bei der Beschwörung naturrechtlichen Denkens im deutschen Bundestag, die selbst bekennende homosexuelle Politiker zu stehenden Ovationen hingerissen hat.
Erst im Kontext des gesamten Pontifikates wird die Reichweite dieser Einzelaussagen deutlich:
Verbot homosexuell Veranlagte zu Priestern zu weihen, mit der Begründung, dass Homosexuelle prinzipiell unfähig seinen, ein gesundes Verhältnis zu ihren Mitmenschen aufzubauen;
konsequente Zusammenarbeit mit Staaten, die Homosexualität strafrechtlich verfolgen, ja sogar die ausdrückliche Forderung des päpstlichen Nuntius bei den vereinten Nationen nach einem Freiraum für eine solche Verfolgung;
die permanente und geradezu diabolische Gleichsetzung von Pädophilie und Homosexualität mit der Absicht die Schuld für den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche von den Tätern weg auf die Opfer zu wenden;
dadurch Erzeugung eines fatalen Klimas der Angst und der die modernen Medien ausgiebig in Gebrauch nehmenden Denunziation in Ordenshäusern und Priesterseminaren – eine Angst, die wiederum der urkatholischen Tendenz zu einer Kultur der Lüge und Scheinheiligkeit enorm Vorschub leistet.
Dass der Papst in seiner eigenen Kirche so agiert, steht zwar in krassem Widerspruch zum Evangelium und ist deutlich als ein projizierendes Abarbeiten der eigenen Probleme an der ganzen Kirche zu erkennen. Platon, der Vater abendländischen Denkens, hat diese Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Liebe als vollendeten Ausdruck der Barbarei und als Proprium der Tyrannenherrschaft bezeichnet. (Symposium 128b) Solches Agieren ist dem Papst jedoch im Rahmen der Religionsfreiheit freigestellt. Anders sieht die Sache freilich dort aus, wo er solche (direkt oder indirekt) homophoben Aussagen vor diplomatischen oder politischen Vertretern von Ländern macht, die der „Allgemeinen Erklärung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ (UN) und so auch zum Widerstand gegen solche diskriminierenden Äußerungen verpflichtet sind. Anders sieht es dort aus, wo der Vatikan Länder moralisch in ihrem strafrechtlichen Vorgehen gegen praktizierte Homosexualität unterstützt. Anders sieht es dort aus, wo die Kirche – wie in Deutschland üblich – ihre durch alte Konkordate gesicherten Privilegien schamlos missbraucht, um extremst homophob zu agieren.
Gerade nach dieser Papstansprache erwarten wir ein klärendes und eindeutiges Wort von unseren Politikern, deren Diplomaten brav Beifall geklatscht haben: auf welcher Seite steht ihr?