…noch so homophobe Staatsmänner werden nun nicht darum herum kommen, einem Schwulen auf höchstem politischen Parkett die Hand zu schütteln…
Am 27.09.2009 fand in Deutschland die Bundestagswahl statt.
Nach einem angeblich zu langweiligen Wahlkampf stand am Abend das Ergebnis fest, das nur zum Teil für Überraschung sorgte. Dass die SPD soo starke Verluste haben würde, dass die FDP soo starke Gewinne machen würde, konnte überraschen.
Erfreulich: Rechtspopulistische oder gar rechtsradikale Gruppierungen spielten keine Rolle. Mit dem Gesamtergebnis aber war doch eigentlich zu rechnen gewesen: Schwarz-gelb, die sogenannte bürgerliche Mitte aus CDU/CSU und FDP soll für die nächsten 4 Jahre Deutschland regieren. Mit im Parlament sitzt eine starke rot-grüne Opposition.
Meiner Meinung nach nicht schlechter als eine Fortführung der großen Koalition, obwohl dieser von vielen Seiten gute Arbeit attestiert wurde. Insbesondere Angela Merkl genießt als (alte und neue) Bundeskanzlerin national wie international großes Ansehen, erscheint staats“männisch“ und kompetent in Sach- und Führungsfragen.
Aber mir geht es hier gar nicht um (alltags-) politische Inhalte.
Ich bin an den Bildern hängen geblieben, die am Wahlabend über die Bildschirme flimmerten:
Bild eins:
Eine erschöpfte, aber glückliche Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende, in Begleitung ihres offensichtlich ebenfalls glücklichen Pressesprechers, tritt vor die Kameras um sich bei Volk und WahlhelferInnen zu bedanken. Sie wolle Kanzlerin aller Deutschen sein. Und was dergleichen schöne und kluge Worte mehr sind…
Mehr als die Worte ist bei mir das Bild hängen geblieben:
Eine toughe, erfolgreiche Frau, die nicht davor zurückschreckt, einigermaßen mächtig zu sein (wie unweiblich…), mit einem, etwas jüngerem und loyalen (männlichen) Mitarbeiter.
Foto: ddp
Bild zwei:
Glücklich und überwältigt vom Wahlerfolg löst sich der Parteivorsitzende der FDP aus der Umarmung mit seinem Lebensgefährten, um anschließend im Pulk der Parteiführungsriege die üblichen Glücks- und Dankesworte abzusondern. Es bleibt nicht die einzige Szene an diesem Fernsehabend, in der Westerwelle ganz nah mit seinem Freund zu sehen ist.
Ein Schwuler als (designierter) Vizekanzler, und/oder Außenminister: Europaweit, ja weltweit werden auch noch so homophobe Staatsmänner und –frauen* nicht darum herum kommen, einem Schwulen auf höchstem politischen Parkett die Hand zu schütteln.
Ich finde, das sind nette Aussichten!
Irgendwie ungerecht:
Die konservative CDU/CSU, deren große Teile „die Frau“ doch noch am liebsten zuhause bei Kind, Mann und Herd sähe…
Die wirtschaftsliberale FDP, deren Vorsitzender sich zu seinem Lebensgefährten öffentlich bekannte, als dies niemanden mehr ernsthaft hinter dem Ofen hervorlockte…
Diese beiden Parteien ernten die Früchte der feministischen und emanzipatorischen politischen Bewegungen der 68er und Folgejahre.
Irgendwie ernüchternd:
Angela Merkl und Guido Westerwelle sind die Früchte der Frauen-, Schwulen- und Lesbenbewegung.
Bleibt der fromme Wunsch, sie wären sich dieses speziellen geschichtlichen Erbes wohl bewusst, und führten es in diesem Sinne weiter…
Und doch, es bleiben die Bilder:
Hätte es in meiner Generation bereits derlei Vorbilder gegeben…ich bin mir sicher, unzählige Frauen, lesbische Frauen, schwule Männer hätten ihr Leben ganz anders, freier, selbstbewusster und selbstbestimmter gestaltet.
Mögen diese Bilder den heutigen kleinen Mädchen und Jungs Mut machen und zum Wohle gereichen!
*Europa ist im weltweiten Vergleich „Spitzenreiter“ mit „immerhin“ 10% Frauen in staatstragender Rolle.
J. R.-M.