Rechtskomitee LAMBDA hofft auf Verwaltungsgerichtshof
Wie soeben bekannt wurde hat der Verfassungsgerichtshof kürzlich beschlossen, den Operationszwang für transsexuelle Menschen nicht aufzuheben. Das Rechtskomitee LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Frauen und Männer, zeigt sich enttäuscht und hofft nun auf den Verwaltungsgerichtshof.
Eine rechtliche Anerkennung im neuen Geschlecht gibt es, im Gegensatz zu anderen Ländern (wie Spanien, Grossbritannien, Ungarn, Schweden und Finnland), für (Mann-zu-Frau-)Transsexuelle in Österreich nur dann, wenn sie ihre Genitalien entfernen lassen. Nicht alle transsexuellen Menschen können jedoch diesen Operationszwang erfüllen, sei es wegen ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes oder ihrer sozialen Situation.
Der Operationszwang, also das Abhängigmachen des Geschlechtswechsels von einer genitalverändernden Operation ist heute überholt und nicht mehr Stand der Wissenschaft. Ja er wird im Gegenteil heute als Menschenrechtsverletzung angesehen. So sprechen die im November 2006 von führenden internationalen Menschenrechtsexpertinnen und -experten auf einer Konferenz im indonesischen Yogyakarta entwickelten Yogyakarta-Prinzipien eine klare Sprache: „Niemand darf, als Voraussetzung der rechtlichen Anerkennung der eigenen Geschlechtsidentität, zu medizinischen Verfahren, einschliesslich einer genitalverändernden Operation …, gezwungen werden“ (http://www.yogyakartaprinciples.org).
In diesem Sinne verlangt auch der Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates vom 12.12.2007, dass die rechtliche Anerkennung des Geschlechtswechsels nicht von einer genitalverändernden Operation abhängig gemacht wird (https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1225283&Site=CommDH&BackColorInternet=F, par. 57).
Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Operationszwang dem aktuellen Stand der Wissenschaft widerspricht: „Für eine unterschiedliche personenstandsrechtliche Behandlung von Transsexuellen mit und ohne Geschlechtsumwandlung sieht die Fachliteratur deshalb keine haltbaren Gründe mehr“ (BVerfG, 1 BvL 3/03 vom 6.12.2005, 25, 66).
Schliesslich ist der Operationszwang auch deshalb diskriminierend, weil Frau-zu-Mann-Transsexuelle keine genitalverändernde Operation vornehmen müssen.
Ständige Bloßstellung oder Gefahr der Verelendung
Die Beschwerdeführerin vor dem Verfassungsgerichtshof wurde als Mann geboren und lebt, nach Hormontherapien und kosmetischen Massnahmen, bereits seit Jahren sozial integriert als Frau. Dennoch wird ihr die Annahme eines weiblichen Vornamens verwehrt und erhält sie keine Dokumente, die ihrem gelebten Geschlecht und ihrem äußeren Erscheinungsbild entsprechen. Das Vorzeigen aller für das Alltagsleben wichtigen Dokumente (wie Reisepass, Personalausweis, Meldezettel, Geburtsurkunde etc.) offenbaren ihre Transsexualität und zwingen sie regelmäßig zum (bloßstellenden und oft erniedrigenden) Outing.
Die einzige Begründung für die Verweigerung eines weiblichen Vornamens und entsprechender Dokumente: sie hat sich keiner Operation zur Entfernung ihrer Genitalien unterzogen.
Eine genitalverändernde Operation kann die Antragstellerin jedoch nicht durchführen, weil der damit verbundene langdauernde Krankenstand bei ihrer leitenden Funktion in der Privatwirtschaft mit Sicherheit mit der Beendigung ihres Dienstverhältnisses verbunden wäre. Der Verlust des Arbeitsplatzes würde sie der Gefahr der sozialen Desintegration und Verelendung aussetzen.
Für die VerfassungsrichterInnen war all das kein Grund, eine Menschenrechtsverletzung zu erkennen. Sie lehnten die Behandlung der Beschwerden ab (VfGH 29.09.2008, B 411/08, B 412/08).
„Wir hätten uns mehr erwartet, nachdem der Verfassungsgerichtshof vor zwei Jahren den Scheidungszwang gekippt hat“, sagt der Präsident des RKL, der Wiener Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner, „Doch der Kampf ist nicht zu Ende. Der Ball liegt nun beim Verwaltungsgerichtshof“.
Quelle:
Rechtskomitee LAMBDA
Web: www.RKLambda.at