Er kam, sah, schüttelte Hände, redete und ging. So läßt sich der Besuch vopn Papst Benedikt XVI. in Süd- und Ostbayern in einem Satz zusammenfassen. Aus schwul-lesbisch transgender-Sicht fällt die Bilanz ebenso unspektakulär aus.
Gesehen hat Benedikt (ich verzichte heute aus Respektsgründen ausnahmsweise auf den in unseren Kreisen üblichen Spitznamen Papa Ratzi) sicher auch Schwule und vielleicht auch ein paar Lesben. Ob es unsere in Marktl wohnende Transschwester Bianca (bisher nur in der Gruppe Neuötting aufgetreten) in sein Blickfeld oder gar zum Händeschütteln geschafft hat, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen.
Nun aber zum Wichtigsten, nämlich dem, was er gesagt hat. Erwartungsgemäß wurde kein radikaler Kurswechsel in Richtung “Homosexualität ist gottgewollt” eingeleitet. Dazu wäre Benedikt auch gar nicht in der Lage, selbst wenn es sein größtes persönliches Anliegen wäre. Wir dürfen nicht übersehen, daß die Strukturen der katholischen Kirche eben noch für das 15. Jahrhundert ausgelegt sind. Ansonsten waren alle Reden Benedikts vom Gedanken der (religiösen) Toleranz und des Friedens geprägt. Der Eklat um sein völlig aus dem Zusammenhang gerissenes historisches Mohammed-Zitat an der Uni Regensburg ist einzig und allein denen anzulasten, die den Islam dazu mißbrauchen, der Welt ihre totalitäre Ideologie aufzuzwingen. Beweis hierfür ist das Zurückrudern vieler gemäßigter islamischer Poilitiker, nachdem sie den vollen Redetext gelesen hatten. Positiv stimmte mich vor allem seine Aussage im Vorfeld des Besuches, daß über die Rolle von Laien und Frauen (!) in der Kirche neu nachgedacht werden müßte, was übrigens durchaus als gezielte Ohrfeige für den Regensburger Bischof Müller gewertet werden kann, der seine Diözese mehr oder weniger offensichtlich nach dem Führerprinzip regiert. Lassen wir die Herren einmal in Ruhe bei dieser Thematik erkennen, daß ein radikaler Positioswechsel nötig ist. Vielleicht merken sie dann auch, daß ein ehrlicherer Umgang mit Homosexualität der katholischen Kirche wohl mehr nützt als schadet. Auch die große Ökumene in München zeigt, daß Benedikt es durchaus ernst meint, wenn er von der Öffnung der Kirche spricht. Natürlich kann man entgegenhalten, daß die Leiter (ich vermeide jetzt bewußt den Begriff “Führer”) der anderen großen christlichen Konfessionen bei dem Gemeinsamen Gottesdienst mehr Staffage als gleichberechtigte Partner waren, aber es war immerhin ein erster Schritt, der noch unter Johannes Paul II. absolut undenkbar gewesen wäre.
Enttäuschend waren eher Aussagen wie der Aufruf zur Rückbesinnung auf die Marienfrömmigkeit oder die Aufforderung an die deutsche Kirche, nicht so viel in soziale Projekte zu inverstieren und dafür wieder mehr zu missionieren. War ersteres noch damit erklärbar, daß Altötting seit jeher ein Marienwallfahrtsort ist, so riecht der Missionsaufruf doch wieder nach dem alten Anspruch der monotheistischen Glaubensrichtungen auf die Alleinwahrheit und, boshaft formuliert, einem Kreuzzug mit dem Geldsackerl. Dies wäre übrigens auch ein hübscher Widerspruch zu seinem Toleranzkurs gegenüber anderen Religionen, oder bezieht sich der dann doch nur auf die drei großen Monotheismen und sollen deren Angehörige von der Missionierung ausgenommen werden?
Letztendlich wird Benedikt in der Zukunft beweisen müssen, wie ernst seine Aussagen gemeint waren und wie reformfähig seine Kirche ist. Auch wenn aus unserer Sicht nichts konkret Neues (Besseres) zu hören war, könnte dieser Papstbesuch ein erster winziger Schritt zu einem generellen Umdenken bei den katholischen Würdenträgern gewesen sein, dem aber noch viele vor allem konkretere Schritte folgen müssen. Immerhin wurden bis heute keine Zwischenfälle und Übergriffe gegen Schwule oder Lesben am Rande der Veranstaltungen bekannt, wie es noch vor einem Jahr beim Weltkirchentag in Köln der Fall war. In diesem Sinne: HOSIANNA!
Lorna Baier